Wir haben eine Krise des Gottesdienstes. Wie üblich ist die katholische Kirche davon nicht so stark betroffen wie die evangelischen Kirchen, aber die Gründe dafür sind vielfältig und nicht Gegenstand dieses Artikels. Menschen verlassen die Kirche oder sind noch immer Teil der Kirche, aber besuchen nicht den Gottesdienst. Warum? Ich glaube, dass die protestantischen Traditionen in der Regel ein Fundament geschaffen und aufgebaut haben, das diese Krise verursacht hat: Das Wort. Ich beziehe mich nicht auf Jesus Christus als das Wort oder die Konzentration auf die „Solas“, sondern auf das gesprochene Wort. Emil Brunner hatte dies bereits vor 50 Jahren gesehen und gesagt, dass wir eine Krise der Predigt haben. Wenn man eine Krise des Predigens bei einer Veranstaltung hat, bei der Menschen um eine Predigt herum versammelt sind, dann hat man ein ernstes Problem… Bill Johnson von der Bethel-Kirche hat das gut gesagt. Er meint, dass sich Israel früher stattdessen um die Gegenwart Gottes versammelt hat.

Seit Jahren glaube ich, dass wir eine Plattform schaffen müssen, auf der die Menschen nicht nur unterrichtet werden, sondern auch Erfahrungen sammeln können. Wenn man meint, dass das geniale Musik, gute Atmosphäre, kreative Elemente – kurz gesagt, eine großartige Show bedeutet, schadet das sicher nicht. Aber das ist nicht das, was ich meine. Ich spreche von Begegnung, einer Begegnung mit dem lebendigen Gott. Das Ziel kann nicht sein, nur über diese Begegnung zu sprechen, sondern eine Plattform zu schaffen, auf der die Menschen das, worüber gesprochen wird, auch tatsächlich erleben.

Emil Brunner hat mir mit seinem theologischen Konzept der Wahrheit als Begegnung das theologische Fundament zu dieser Überzeugung gegeben, und es hat ihn folglich auch zu seiner fast prophetischen Vision für die Kirche geführt. Wahrheit als Begegnung bedeutet im Grunde genommen, dass wir die Wahrheit nur durch eine persönliche Begegnung mit der Wahrheit erfassen können: Jesus Christus. Wahrheit ist weder in einer subjektiven Erfahrung zu finden (wo ich meine „Wahrheit“ schaffe), noch in einem scheinbar objektiven Lehren der Wahrheit (wo ich versuche, die Wahrheit „unter meine Füße“ zu bekommen). Wahrheit „geschieht“ und „wird“ in einer Begegnung, die mein ganzes Wesen einschließt. Das ist nicht nur theologisch bedeutsam, sondern per Definition auch praktisch.

Wahrheit als Begegnung kann den Gottesdienst retten! Wenn wir das ernst genug nehmen, werden wir wieder damit beginnen, unsere Gottesdienste um Gottes Gegenwart herum aufzubauen und nicht nur um eine Predigt. Die Predigt ist gut und wichtig, aber sie ist nicht der zentrale Teil des Gottesdienstes. Gott ist es. Es wird nicht nur über ihn gesprochen, sondern es wird ihm auch begegnet. Man könnte einwenden, dass wir nicht in der Lage sind, eine Begegnung mit Gott zu schaffen, da wir Menschen sind und Gott nicht kontrolliert werden kann. Das stimmt. Wir können keine Begegnung schaffen, aber wir können die Plattform schaffen, auf der wir es dem Heiligen Geist überlassen, Menschen zu begegnen. Es ist eine Form des Risikos, auch Glaube genannt, Gottesdienst-Elemente zu schaffen, die einfach nicht funktionieren, ohne dass Gott „auftaucht“. Vielleicht ist dies einfach eine „Begegnungszeit“ nach der Predigt, vielleicht ist es das Prophetische, vielleicht die… Es ist Zeit, kreativ zu werden. Man könnte argumentieren, dass wir bereits auf die Kraft des gepredigten Wortes setzen oder dass Gott den Menschen schon irgendwie begegnen wird. Gut. Aber es ist an der Zeit, nicht nur damit zu rechnen, sondern es auch EINzurechnen. Der Unterschied besteht darin, dass wir die Verantwortung dafür übernehmen, den Gottesdienst um eine Begegnung mit Gott zu gestalten und nicht um eine Lehre.

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